
Unser Wirtschaftsplan – Teil 1: Die Erzeugung
640 Euro beträgt aktuell (Februar 2022) der durchschnittliche Beitrag (“Richtwert”) für einen Gemüse-Anteil. Im Gegenzug liefern wir ein Jahr lang (immer von April bis März) alles, was der Acker und das Wetter gerade hergeben – mit kleineren Lieferpausen im Winter und Frühjahr. Wie aber kommen die 640 Euro für ein Jahr Solawi-Gemüse zustande?
Wir schauen hier zunächst auf den Bereich der Erzeugung des Gemüses. Sämtliches Solawi Gemüse mit Ausnahme der Zwiebeln (vom benachbarten Hermannshof) und der Kartoffeln (von “unserem” Landwirt Matthias Keßler bzw. Biohof Quellen) wird erzeugt von der Solidar-Hof Nordheide UG u. Co. KG. Die Solidar-Hof UG u. Co. KG kümmert sich ausschließlich um den Anbau unseres Solawi-Gemüses. Dazu beschäftigt sie Personal (insbesondere die Gärtner:innen), ist im Besitz von Maschinen und Geräten zum Gemüseanbau (z.B. Traktoren und Gewächshäusern), pachtet Land und muss natürlich jährlich jede Menge Dinge kaufen und bezahlen, von Jungpflanzen und Samen über Strom und Wasser bis hin zum Motoröl. Wie ihr unter unserer Übersicht zum aktuellen Wirtschaftsplan sehen könnt, macht die Erzeugung des Gemüses rund drei Viertel* der Gesamtkosten für die Anteile aus – in Summe sind das aktuell rund 356.000 Euro (plus Steuern). Diese 356.000 Euro setzen sich aus folgenden Teilbereichen zusammen:
Alle Jahre wieder: die “reinen” Produktionskosten
Wie schon erwähnt fallen viele Kosten regelmäßig an: Jungpflanzen und Samen müssen gekauft werden, ebenso Dünger, Nützlinge, biologische Pflanzenschutzmittel etc.; Reparaturen an unseren Traktoren und Maschinen werden fällig, die Trecker verbrauchen Diesel, die Bewässerungspumpe Strom usw.. Diese variablen Kosten verteuern sich aktuell von rund 51.000 auf gut 57.000 Euro. Ein Grund dafür ist, dass wir ein großes Nagerproblem in den Scheunen am Hof haben und deshalb mit mehreren tausend Euro Kosten für wiederholte Einsätze einer professionellen Kammerjäger:in rechnen müssen. Zudem sind unsere beiden Traktoren echte Oldtimer, die immer wartungsintensiver werden, so dass wir mehr Geld für Reparaturen veranschlagen. Auch Strom, Dünger, Saatgut, Jungpflanzen etc. werden teurer.



Der Löwenanteil: Arbeitszeit
Wie ihr hier in der Übersicht sehen könnt, machen die Personalkosten allein im Bereich der Erzeugung fast 46 % der Gesamtkosten unserer Solawi aus. Dieser Bereich erhöht sich aktuell minimal um knapp 5.000 auf 219.000 Euro, da wir im Anbauteam bisher zu wenige Bürostunden veranschlagt hatten und außerdem künftigen Praktikant:innen auf dem Acker einen Fahrtkostenzuschuss/eine kleine Aufwandsentschädigung zahlen wollen.
Notwendiges Übel?! – Buchhaltung und Co.
Bei den Verwaltungskosten im Bereich der Erzeugung schlagen vor allem die Finanzbuchhaltung und die Erstellung der Jahresabschlüsse mit rund 10.000 Euro pro Jahr zu Buche. Außerdem gibt es viel unverzichtbares “Kleinvieh” wie z.B. Versicherungs- und Berufsgenossenschaftsbeiträge, Notarkosten oder Kontogebühren. Neu hinzu kommen 2022 3.000 Euro für Beratungsleistungen und Gründungskosten im Zusammenhang mit der Gründung einer Solawi-Genossenschaft, die wir anstreben und von der ihr noch hören werdet. Der Teilbereich erhöht sich 2022 um genau diese 3.000 Euro und liegt damit bei exakt 19.000 Euro.
Fremdarbeit: die ganz großen Traktoren
Ab und zu brauchen wir auf dem Gemüseacker auch ganz große Traktoren und Geräte wie z.B. einen Vier-Schar-Pflug, einen Miststreuer, ein Mähwerk, eine Ballenpresse oder – gar nicht so selten – einen Radlader bzw. Teleskoplader, der 700 kg schwere Gemüsekisten mühelos und in Nullkommanix von A nach B bewegen kann. Diese Maschinen anzuschaffen würde sich für uns als überschaubare Gärtnerei niemals lohnen, geschweige denn einen Traktor zu unterhalten, der all das schwere Gerät ziehen kann. Praktischerweise besitzt der Biohof Quellen einen Großteil der genannten Maschinen und auch zwei PS-starke moderne Traktoren. Soll also auf dem Gemüseacker z.B. gepflügt oder Mist gestreut werden, beauftragen wir den Biohof Quellen (oder andere “Lohnunternehmer”) damit und bekommen dafür den üblichen Stundensatz in Rechnung gestellt. Der Bereich der Fremdarbeit erhöht sich 2022 um gut 2.000 Euro auf rund 33.000 Euro, weil wir insbesondere Transportarbeiten zu gering veranschlagt hatten. In den 33.000 Euro enthalten ist der Zukauf der Zwiebeln vom Hermannshof (5.600 Euro) sowie der Kartoffeln vom Biohof Quellen (gut 18.000 Euro). Warum wir dieses Gemüse zukaufen und wie wir versuchen, mit den Erzeugern einen möglichst fairen “Deal” zu machen, beschreiben wir in einem zukünftigen Ackerwissen genauer!

Langfristige Investitionen
Unsere Gewächshäuser und Traktoren, aber auch unsere grünen Gemüsekisten nutzen wir über viele Jahre. Deshalb werden die Kosten für Neuanschaffungen in diesem Bereich nur zu einem kleinen Teil, z.B. einem Fünftel oder einem Achtel, dem aktuellen Wirtschaftsjahr zugerechnet. Im Fachsprech heißt das: Wir schreiben diese Gerätschaften ab, meist über fünf oder acht Jahre. Bezahlen müssen wir die Anschaffungen aber natürlich trotzdem im Jahr des Kaufs. Dazu leihen wir uns Geld – idealerweise von Solawistas, die uns zu günstigen Konditionen Privatdarlehen geben möchten. Für die kommende Saison 2022/-23 planen wir beispielsweise Investitionen in Maschinen und Geräte in Höhe von 35.000 Euro. Wir rechnen damit, diese (z.B. unsere geplante Gemüse-Kühlung) mindestens acht Jahre nutzen zu können und “schreiben auf acht Jahre ab”. Das heißt, wir leihen uns in diesem Jahr 35.000 Euro, vereinbaren eine Rückzahlungsfrist von ebenfalls acht Jahren und bezahlen mit dem Geld die Kühlung und die nötigen Gerätschaften und Maschinen. Nach Ablauf des ersten dieser acht Jahre ist die erste Rückzahlung fällig und zwar in Höhe von einem Achtel der 35.000 Euro, also 4.375 Euro. Und nur dieser Betrag wird so de facto von allen Solawi-MItgliedern der Saison 2022/-23 bezahlt. In der folgenden Saison 2023/-24 schlagen die nächsten 4375 Euro zu Buche und so weiter. Nach acht Jahren sind so die vollen 35.000 Euro an die Darlehensgeber:innen zurückgezahlt. Und Kühlung und Co. haben uns hoffentlich in der Zeit gute Dienste geleistet und tun dies auch noch ein paar Jahre länger, nur dann in “abgeschriebenem” Zustand, also nur noch zu den Betriebs- und Wartungskosten. (Eventuelle Kredit-Zinsen lassen wir in diesem Erklär-Beispiel mal außen vor)

2022 sind einige unserer großen Investitionen aus der Vergangenheit, die wir über fünf Jahre finanziert haben, “abgeschrieben”: unser großartiger Fendt-Trecker, unser erstes Gewächshaus, verschiedene Maschinen. Somit fallen gut 8.000 Euro an “Abschreibungs-” bzw. Tilgungskosten aus dem Wirtschaftsplan heraus. In Summe ergibt sich im Teilbereich der langfristigen Investitionen im aktuellen Wirtschaftsplan somit eine Einsparung von rund 4.000 Euro: Während 2021 noch fast 19.000 Euro fällig waren, sind 2022 nur noch knapp 15.000 Euro geplant.

Alles wird teurer – auch das Solawi-Gemüse?
Addiert man die genannten Beträge aus den Teilbereichen, ergeben sich inklusive eines Sicherheitspuffers von 5% die bereits eingangs erwähnten Kosten für die reine Gemüseerzeugung in unserer Solawi im Jahr 2022: rund 356.000 Euro. 2021 lagen die kalkulierten Kosten bei 343.000 Euro. Damit verteuert sich unsere Gemüseerzeugung 2022 voraussichtlich um circa 13.000 Euro. Prozentual ausgedrückt steigen die Kosten um 3,7 % (was in etwa der aktuellen Inflation entspricht). Auf einen unserer 750 Gemüse-Anteile gerechnet wird das Solawi-Gemüse damit um 17 Euro pro Jahr oder um 1,44 Euro pro Monat teurer. Das wohlgemerkt alles im Durchschnitt – denn durch unser solidarisches Bietverfahren ermöglichen wir ja individuelle Beiträge, damit die Solawi-Mitgliedschaft nicht am Geldbeutel scheitert! In der Saison 2021/-22 lag der durchschnittliche Solawi-Beitrag (“Richtwert”) bei 600 Euro. Nun steigt er um 40 Euro auf 640 Euro. 17 Euro Kostensteigerung haben wir in diesem Artikel ja bereits – hoffentlich nachvollziehbar – erklärt. Um die verbleibenden 23 Euro Kostensteigerung geht es in der nächsten “Ackerwissen”-Ausgabe. Spoiler: Wir wollen das Zeitalter der unbezahlten Überstunden in der Solawi endgültig beenden und das Thema IT-Infrastruktur und Datenschutz professioneller angehen.
*Das vierte Viertel entfällt auf die “Vereinskosten” – Kommissionierung (Wiegen, Verpacken), Verteilung und Lieferung des Gemüses, Betrieb der Abholstellen sowie Mitglieder- und Vereinsverwaltung mit allem Drum und Dran. Mehr dazu gibt es im nächsten “Ackerwissen”.
Text: Wendelin Sandkühler
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