Ackerwissen: Mehr Gemüsevielfalt im Solawi-Depot
Unsere großen Mitgliederumfragen aus den letzten fünf Jahren zeigen deutlich, dass circa ein Fünftel der Solawistas mit der Vielfalt und Abwechslung der Gemüselieferungen nur teilweise zufrieden oder sogar unzufrieden ist. Deshalb widmen wir uns heute ausführlich der Frage:
Welche Optionen gibt es, um unsere Lieferungen vielfältiger und abwechslungsreicher zu machen?
Verlängerung der Saison
Seit vielen Jahren versuchen wir, im Freiland die Grenzen des saisonalen Anbaus auszutesten: wie früh können wir säen oder pflanzen, ohne dass uns staunasser Boden, Frost oder Kümmerwuchs und Krankheiten durch feucht-kaltes Wetter einen Strich durch die Rechnung machen? Und was sind die spätesten Termine zum Saisonende, damit wir aus den oben genannten Gründen im Spätherbst nicht nur Mini-Exemplare ernten?
Besonders zu schaffen macht uns dabei oft der sehr nasse Boden an unserem Standort – der heißt nicht ohne Grund Hof Quellen! – im Frühjahr und Herbst. Inzwischen kennen wir den Acker aber ganz gut und bauen das besonders frühe und späte Gemüse gezielt auf den trockensten Stücken an. So wird es dieses Jahr z.B. besonders frühe erste Freiland-Radieschen geben (diese Woche!) und sobald die Kohlrabis im Gewächshaus abgeerntet sind, können wir im Freiland weiterernten, so früh wie noch nie.
Durch unsere 2023 neu installierte Kühlkammer können wir außerdem im Herbst vor sehr starken Frösten das eine oder andere Gemüse für ein paar Wochen einlagern, anstatt alles auf einmal verteilen zu müssen. Das geht sehr gut bei Chinakohl und Wintersalaten und begrenzt auch bei Blumenkohl und Brokkoli. Die Kühlung hilft auch dabei, Lagergemüse länger zu lagern und die Frühjahrslieferungen mit handfestem Gemüse anzureichern. Zum Beispiel hatten wir dieses Jahr Mitte April erstmalig noch wunderschöne knackige Möhren.
Verlängern lässt sich die Freiland-Saison auch durch Wärmevliese. Diese nutzen wir auch schon immer und immer mehr. Das Aus- und Einrollen, das Befestigen, das Auf- und Zudecken sind allerdings sehr aufwendig, zumal im stürmischen Herbst und Frühjahr, weshalb wir uns hier Grenzen setzen, damit Aufwand, Personal- und Materialkosten nicht ausufern für 1-2 Wochen Saisonverlängerung.
Der größte Hebel für eine Saisonverlängerung sind natürlich Gewächshäuser. Wir nutzen aktuell zwei Folientunnel-Gewächshäuser mit insgesamt 1000 Quadratmetern Brutto-Anbaufläche. Bei über 600 Gemüseanteilen sind das nicht einmal 2 Quadratmeter pro Anteil. In den nächsten Jahren wollen wir weitere Gewächshäuser bauen, damit wir im Winter und Frühjahr mehr Vielfalt und im Sommer mehr üppiges Sommergemüse wie Tomaten, Paprika, Gurken und Auberginen anbieten können. Gewächshäuser sind allerdings sehr teuer – in der Anschaffung und im Betrieb; für 1000 Quadratmeter allein ganz im Jahresschnitt mit einer vollen zusätzlichen Arbeitskraft zur Bewirtschaftung der Fläche gerechnet werden. Deshalb wollen wir hier Schritt für Schritt und wohlüberlegt vorgehen, weil eine solche Erweiterung zwar unser Angebot vielfältiger macht aber auch den Richtwert pro Solawi-Anteil erhöht.
Anbau zusätzlicher Gemüsearten
Wenn es nicht so aufwendig und teuer wäre, würden wir gerne noch viele weitere Gemüsearten anbauen. Auf der Wunschliste stünden u.a. Zuckererbsen, Buschbohnen, Stangenbohnen, Süßkartoffeln, Ingwer, Schwarzwurzeln, Chicoree, Spargel, Schalotten, Artischocken, Melonen, Erdbeeren oder gar andere Beeren. Bei den Kreuzblütlern (Kohlgewächsen) sind uns aufgrund von begrenzter Fläche und drohenden Pflanzenkrankheiten enge Grenzen gesetzt, so dass wir aktuell deutlich weniger Brokkoli und auch Blumenkohl anbauen als gewünscht. Noch sparsamer sind wir im Anbau von Kreuzblütlern wie Steckrübe, Lagerkohlrabi (Superschmelz), Romanesco, Palmkohl (Schwarzkohl), Rettich und Herbstrübchen; auch die Rot-, Weiß- und Grünkohl- sowie Rosenkohl-Mengen haben wir aus Platzgründen gedeckelt. Mittelfristig wollen wir hier durch eine Vergrößerung der Anbaufläche und eine bessere Fruchtfolge mehr Vielfalt – und noch mehr z.B. vom beliebten Brokkoli – ermöglichen.
Bei den Erbsen und Bohnen schreckt uns allein der riesige Ernteaufwand, zumal er in eine Zeit fällt, in der sowieso viel zu tun ist. Deshalb bauen wir nur die schnell zu erntenden Dicken Bohnen und keine Erbsen, Busch- oder Stangenbohnen an, damit die Solawi-Anteile nicht zu teuer werden und der Stress im Anbauteam im Sommer nicht ausufert.
Zunächst einmal haben wir uns vorgenommen, unsere Rhabarberfläche zu vergrößern – und langfristig auch einmal Süßkartoffeln auszuprobieren.
Für mehr Vielfalt wäre es auch denkbar, bestimmte Gemüse gleichmäßiger übers Jahr zu verteilen. Einige Gemüse gibt es z.B. nur oder fast nur im Herbst, Winter und Frühjahr, obwohl sie theoretisch auch im Sommer angebaut werden könnten: Spinat, Radieschen, Mairübchen, Pak Choi, Feldsalat, Radicchio, Endivie, Zuckerhut, Postelein-, Asia- oder Hirschhornwegerich-Salat. Wir bauen die genannten Kultuten absichtlich nicht für den Sommer und Frühherbst an, weil sie bei heißem Wetter oft nicht gut gelingen und zu schnell in die Blüte gehen – und weil wir finden, dass es im Juli, August und September genug andere Gemüsevielfalt gibt.
Reduzierter Anbau von “Dauerbrennern”
Wenn es immer wieder dieselben Gemüse gibt, kann auch das zu einem Gefühl von mangelnder Vielfalt und Abwechslung beitragen. Wir haben deshalb bei offensichtlich eher unbeliebten oder schwer umstrittenen Gemüsen wie Zuckerhut, Radicchio, Superschmelz-Kohlrabi, Pastinake, Steckrüben, Herbstrüben, Rettich oder Sellerie die Mengen reduziert.
Bei Gemüsen, bei denen es immer mal wieder eine Schwemme gab, versuchen wir die Mengen kleiner zu portionieren, z.B. bei Lauchzwiebeln, Mangold oder natürlich Zucchini! Die Zucchini ist allerdings ein gutes Beispiel für ein Gemüse, das sehr regelmäßig beerntet werden muss. Wir haben die Mengen so angepasst, dass es im Schnitt ca. alle zwei Wochen ein Exemplar gibt. Auch der Zuckermais muss, wenn er reif wird, mindestens wöchentlich beerntet werden. Bei beiden Gemüsen sind die Geschmäcker sehr verschieden was die Liefermengen und Intervalle angeht.
Sehr verschieden denken die Solawistas auch über die Rote Bete – sie ist zugleich auf Rang 5 unserer beliebtesten und unser unbeliebtesten Gemüe. Deshalb halten wir die Menge auf einem recht hohen Niveau, da Rote Bete recht einfach anzubauen und unschlagbar lagerfähig ist. Eindeutig beliebt sind die Dauerbrenner Kartoffeln, Möhren und Zwiebeln, so dass wir hier die Mengen mindestens konstant halten wollen. Mehr Tomaten, Gurken, Auberginen, Paprika, Brokkolis und Blumenköhler wären schön und werden hoffentlich auch Wirklichkeit, wenn wir unsere Flächen im Freiland und im Gewächshaus vergrößern können (siehe oben). Beim Kürbis versuchen wir seit Jahren, die Mengen ein wenig mehr zu steigern und hatten leider oft mit geringen Erträgen zu kämpfen.
Zukauf von Gemüse
Unser Gemüse wird selbstverständlich komplett von den Solawi-Gärtner:innen auf dem Solawi-Acker angebaut. Einzige Ausnahmen sind die Kartoffeln, die unser Verpächter Matthias für die Solawi anbaut, und die Zwiebeln vom Nachbarbetrieb Hermannshof; beide bekommen eine solidarische Abnahmegarantie für ihre Ware.
Sicherlich könnten wir durch Zukauf von Gemüse aus der Region oder gar aus Vorzeige-Biobetrieben in Spanien unsere Vielfalt erhöhen. Das kommt für unser aber insbesondere aus zwei Gründen nicht in Frage:
– Erstens würde die Solidarität mit den Erzeuger:innen und Solawi-Angestellten (Abnahmegarantie für ein Jahr) und die Transparenz (Wissen wo mein Gemüse herkommt und zu welchen Kosten) massiv leiden;
– Zweitens finden wir es total toll, dass saisonale Ernährung mit Gemüse ein Kernelement des Solawi-Konzepts ist. Quasi als Herzstück des wöchentlichen Speiseplans – dass je nach Geschmack und Lebenssituation flexibel zugekauft werden kann und soll, versteht sich.
Denn saisonale Ernährung ist ökologisch, gesund, lecker und erfrischend simpel – gegessen und genossen wird, was gerade Saison hat – und damit für uns Teil einer zukunftsfähigen Lebensqualität.
Wenn ihr weitere Ideen habt, wie wir die Vielfalt und Abwechslung unserer wöchentlichen Solawi-Lieferungen steigern könnten, schreibt sehr gerne an ackerteam-quelen@posteo.de.
Text und Bilder: Wendelin Sandkühler