
Ackerwissen: Hitzeschock fürs Unkraut
Wir bauen unser Gemüse möglichst ökologisch an und versuchen, mit einem Minimum an fossiler Energie auszukommen. Egal, ob direkt (als Diesel für unsere Traktoren oder Gemüse-Transporter) oder indirekt (durch Zukauf von Produkten wie Dünger, in denen viel fossile Energie steckt). Bei einem Thema verfeuern wir aber gnadenlos fossile Energie: und zwar, wenn es um das Abflammen der ersten Unkräuter kurz vor dem Auflaufen der Samen fürs Wurzelgemüse geht! Der Grund: mit ein paar Kilo Gas aus der Gasflasche ersparen wir uns hier Dutzende Stunden Jätearbeit.

Nun beginnt das Abflammen: mit einem Gasbrenner werden bei langsamer Gehgeschwindigkeit die Saatreihen in 15-20cm Abstand abgeflammt. Alle Pflanzen, die bereits gekeimt und durch die Erde gestoßen sind, werden so abgetötet. Dazu reicht entweder eine Temperatur von 60-70 Grad über mindestens eine Sekunde – dann gerinnt das Eiweiß in den Zellen. Wird eine Temperatur von über 110 Grad erreicht, reicht sogar eine Zehntelsekunde, weil dann die Zellwände platzen. Je kleiner die Pflänzchen, desto besser die Wirkung. Wurzelunkräuter sind durch Abflammen allerdings nur schwerlich in den Griff zu kriegen. Bei uns betrifft das vor allem die Quecke. Aber auch viele andere Wurzelunkräuter wie Gräser, Ampfer, Distel, Brennessel oder Giersch lassen sich oft auch durch mehrmaliges Abflammen nicht effektiv eindämmen, sie treiben immer wieder neu aus der Wurzel aus. Da hilft nur regelmäßiges Stören und nach oben ziehen (z.B. durch Hacken oder Striegeln), damit die Wurzeln vertrocknen (aber dazu mehr in einem anderen Ackerwissen!).
Wenn alles gut geklappt hat, sind 1-2 Tage nach dem Abflammen fast nur Wurzeln zu sehen, die ihre zwei Keimblätter durch die Oberfläche schieben und kaum weitere Unkräuter. Diese sind nämlich oft schneller in der Keimung als die Wurzeln. Trotzdem muss im Anschluss fast immer akribisch gejätet werden.
Wenn es nicht so gut läuft – Wetterpech, zur früh abgeflammt, zu viel zu tun… – kann es wenige Wochen nach dem Keimen der Möhren auch schon wieder wie Kraut und Rüben aussehen auf den Beeten (seeehr grün), obwohl abgeflammt wurde. Das ist uns z.B. 2021 passiert.


Nachdem wir bisher immer mit einer handlichen kleinen Brennlanze – Gasflasche im Rucksack oder per Schubkarre von einer zweiten Person nebenher geschoben – Reihe für Reihe abgegangen sind, haben wir uns dieses Jahr ein Profi-Abflammgerät geleistet, mit dem wir egonomisch, zeit- und gassparend abflammen können (siehe Foto oben). Das Gerät funktioniert gut und verschafft uns auch zusätzliche Zeit für den schwierigen ersten Arbeitsgang mit der Radhacke, da das ganze Beet auf einmal abgeflammt wird. Die Herausforderung aber, den richtigen Zeitpunkt für den Einsatz zu finden, bleibt. Wir haben dieses Jahr z.B. am 21.6. die letzten Lagermöhren gesät – am Ackerrand und mitten im Acker. Das Randstück war viel feuchter, die Keimung verlief zugüg und am 28.6. wurde abgeflammt. Die Möhrenbeete in der Mitte vom Acker waren so trocken, dass kaum Unkraut gekeimt ist. Als wir am 29.6. abflammen wollten, waren schon sehr viele Möhren an der Oberfläche zu sehen. Gleichzeitig keimt weiterhin nur sehr wenig Unkraut, so dass in diesem speziellen Fall das Wetter durch große Hitze gefolgt von massivem Regen für ein gutes Ergebnis gesorgt hat und ein Abflammen nicht nötig war.
Wir sind gespannt, wie unsere Möhren und Wurzeln 2024 werden und hoffen auf eine reiche Ernte!
Text und Bilder: Wendelin Sandkühler
Grafik: FibL Schweiz