
Ackerwissen: Köpfen oder leben lassen?
Wie wächst eigentlich Rosenkohl? Viele kennen nur das “Endprodukt” – die verzehrfertigen Röschen – und sind völlig zurecht ganz überrascht, erstaunt, fasziniert, wenn sie plötzlich eine echte Rosenkohlstange in der Hand halten. Denn hinter den vielen kleinen, runden Röschen stecken große Pflanzen, die locker 100 bis 120cm groß werden.
Spätestens im Mai wird gepflanzt, denn müssen die Pflanzen viele Monate lang gehackt, gewässert, vor Schädlingen geschützt und meistens auch gedüngt werden, bevor ab November die Röschen geerntet werden können.
Es kann aber auch schon früher geerntet werden: Wir haben dieses Jahr das erste Mal bereits im Frühherbst die Rosenkohlköpfe verteilt: Ende September/Anfang Oktober haben wir bei 90% unserer circa 3000 Rosenkohlpflanzen die Köpfe abgeschnitten und als Stückware in die Depots geliefert. Viele von euch waren sehr angetan und haben aus den Köpfen leckere Mahlzeiten gezaubert (z.B. mit diesen Rezeptetipps).
Zum Ende der Rosenkohlzeit – wetter- und sortenbedingt ist das meistens schon Ende Januar der Fall – verteilen wir außerdem häufiger Rosenkohlstangen als Stückware. Das erleichtert die Ernte im Vergleich zur Röschenernte extrem; ein Schnitt und eine Handgriff ersetzen Dutzende! So gibt es derzeit in den Depots ca. 20 bis 40cm lange Stangen, bestückt mit und geschmückt von meist mehreren Dutzend Röschen. Die Röschen müssen dann zuhause noch von Hand abgebrochen/abgepult werden. Der Strunk in der Mitte ist leider überhaupt nicht genießbar – viel zu zäh! Er hat aber als Lebensader für die Röschen viele Monate lang einen guten Job gemacht und kann getrost (im Kompost, falls vorhanden) entsorgt werden.

Gelegentlich sind zwischen den Röschen auch “Nieten” in Form von gammligen Röschen versteckt, denen wir es bei der Ernte nicht angesehen haben, dass sie innen nicht mehr gut sind, obwohl sie äußerlich grün und gesund schienen. Die sollten am besten auch zügig entsorgt werden. Im Idealfall gibt es keine “Nieten” an der Stange und alle Röschen sind groß und gesund. Aber diese Saison war herausfordernd für den Rosenkohl. Starkregen führte zu Nährstoffauswaschungen und damit zu vielen kleinen Röschen. Und der spätere Herbst war dann feucht und ziemlich warm, so dass manche Röschen von Pilzkrankheiten befallen wurden. Leider sind die von außen oft nur schwer erkennbar.

Die Rosenkohlstangen, die ihr diesen Winter bekommt, sind übrigens nur der oberste Teil der Rosenkohlpflanze. Die unteren Röschen haben wir bereits im alten Jahr geerntet und verteilt. Bei der Ernte muss jedes Röschen einzeln abgebrochen werden, je nach Größe der Gärtner:innenhand passen 3-5 Röschen auf einmal in die Hand, um sie in die Erntekiste zu legen.
Einige wenige von euch haben vergangene Woche eine Rosenkohlstange bekommen, an der oben noch der Kopf dran war – wie ein extra riesiges Röschen oben in der Mitte aber sehr luftig/fluffig. Diese Stangen waren unsere Versuchspflanzen, die wir beim Ernten der Köpfe Anfang Oktober verschont haben. Die Köpfe durften weiterwachsen – und damit auch die ganzen Pflanzen. Im Vergleich zu den Pflanzen, die geköpft wurden, haben diese Exemplare von Oktober bis jetzt sicherlich nochmal um 30cm an Größe zugelegt, damit sind auch jede Menge neue Röschen gewachsen. Die neuen Röschen sind allerdings sehr klein. Und auch die unteren Röschen sind bei den nicht geköpften Pflanzen deutlich kleiner als bei den geköpften. Summa summarum kommt nach unserer bisherigen Erfahrung bei beiden Varianten eine ähnliche Menge an Röschen (in Kilogramm!) zusammen, wenn bis circa Ende Januar geerntet wird. Für uns sprechen bisher die folgenden Vorteile für ein Köpfen des Rosenkohls:
- Es gibt zwar insgesamt weniger Röschen, aber dafür größere; das bedeutet weniger Ernte-und Putzaufwand für uns und euch;
- Das Köpfen sorgt dafür, dass die Pflanze versucht, möglichst schnell alle Röschen groß werden zu lassen. Die Ernte wird so quasi terminiert und es kann in ein oder zwei Durchgängen die ganze Pflanze abgeerntet werden, was viel Arbeit, Laufwege und Bückbewegungen spart!
- Wir können im Frühherbst schöne, gesunde Rosenkohlköpfe ernten – den Winter über leiden die Köpfe nämlich oft und sind dann nicht mehr so schön oder ganz weggegammelt.
Deshalb könnt ihr auch in den nächsten Jahren auf Rosenkohlköpfe im Frühherbst, Röschen ab November und Stangen im Januar freuen.

Es hat auch Vorteile, den Rosenkohl nicht zu köpfen und einfach immer munter wachsen zu lassen. Es können dann z.B. alle zwei Wochen nur immer die jeweils größten Röschen von unten nach oben geerntet werden. Oben bilden sich parallel munter weitere Röschen. Im Idealfall gibt es so bis Mitte/Ende März frische Röschen und vielleicht sogar noch einen gesunden Kopf zu verzehren. Auf unserem Acker kommt uns dabei jedoch häufig starker Frost in die Quere und sorgt für große Verluste durch Erfrieren, Vergammeln, Vertrocknen. Deshalb versuchen wir, zwei Drittel des Rosenkohls bis Ende Dezember abzuernten, den Rest im Januar. Und wir haben Wärmevliese als Frostschutz bereitliegen, die aber auch zum Problem werden können, wenn viele Tage lang dicker Schnee darauf liegt.

Die Röschen beim Rosenkohl sind übrigens botanisch gesehen vergleichbar mit den Seitentrieben/-sprossen, die sich bei vielen anderen Pflanzen je nach Sorte und Wetter auch entwickeln, wenn die Pflanze nur lange genug steht, wie ihr hier (im letzten Absatz) nachlesen könnt. Neben den dort genannten Gemüsen wäre auch noch der Grünkohl zu nennen, der direkt an seinem Strunk nach der Ernte der großen Blätter viele klitzekleine, sprossenartige Seitentriebe bildet. Beim Rosenkohl funktioiert das leider nicht. Ist das Röschen erstmal ab, kommt auch nichts mehr nach. Aber das Köpfen der Rosenkohlpflanze löst den selben Impuls aus wie das Schneiden eines Salat- oder Kohlkopfs: die Energie der Pflanze wird in andere Bahnen gelenkt, entweder in Seitentriebe – oder eben in die vorhandenen Rosenkohlröschen, die zügig größer werden.
Text und Fotos: Wendelin Sandkühler