Ackerwissen: Grazile Wurzelpetersilie
Sie braucht am Anfang ihres Gemüselebens viel Aufmerksamkeit. Im Herbst und Winter steht sie dann viele Monate genügsam auf dem Feld. Und in der Küche macht ihre Zubereitung gleich doppelt Freude. – Willkommen zum Ackerwissen über das vieleicht grazilste Wintergemüse der Welt: die Wurzelpetersilie alias Petersilienwurzel.
Die Samen der Petersilienwurzel gehören nicht nur zu den kleinsten Gemüsesamen, sie brauchen auch rekordverdächtig lange zum Keimen. Wir säen sie deshalb immer erst im Juni aus, wenn der Boden wirklich warm ist und Kaltwetterphasen äußerst unwahrscheinlich sind. Bei warmen und feuchten Bedingungen schafft sie dann die Keimung auch schonmal in zwei statt in drei Wochen. In jedem Fall ist Geduld und Aufmerksamkeit gefragt.
Wir erleichtern uns das Leben, indem wir vorgekeimtes (“geprimtes”) Saatgut kaufen. Während der Keimphase achten wir auf eine regelmäßige Wasserversorgung, denn die Keimlinge können bei großer Hitze leicht vertrocknen. Während die Wurzelpetersilie vor sich hin keimt, schlafen die Unkräuter natürlich nicht. Um sie halbwegs in den Griff zu kriegen und weniger jäten zu müssen, gehen wir – kurz bevor die Sämlinge aus dem Boden schauen – mit dem Gasbrenner übers Feld, um das vorwitzige Kraut in den Saatreihen “abzuflammen”. Dazu sollte es nicht zu windig und der Boden möglichst trocken sein.
Sind die Petersilienpflänzchen ein paar Zentimeter gewachsen, wird das Unkraut mit der Radhacke mit Pendelmesser abgeschnitten. Es lohnt sich, langsam und akribisch zu arbeiten und bis auf wenige Millimeter an die Petersilienpflanzen heranzuhacken. Damit sparen wir uns viel Arbeit beim anschließenden händischen Jäten. Nun wächst die Petersilienwurzel zügig los und ihre schön gerade nach oben stehenden Blätter können den Rest des Sommers per Traktor angehäufelt werden. So wird neu sprießendes Unkraut einfach zugedeckt. Handarbeit ist nun keine mehr nötig – außer bei der Ernte. Die kann auch noch im tiefsten Winter erfolgen, denn Wurzelpetersilie ist komplett frosthart. Sie gehört damit zu einem kleinen Kreis “echter Wintergemüse”, die wirklich jeden Frost aushalten.
Großen Spaß macht es auch, die Petersilienwurzeln schon im späten Herbst zu ernten. Dann sind die Blätter noch frisch und grün und können zusätzlich zur Wurzel wie Schnittpetersilie zum Würzen verwendet werden, sie sind nur etwas fester und weniger fein im Geschmack. Während die Blattpetersilie auf ihr zartes Grün gezüchtet wurde, befindet sich das Highlight der Petersilienwurzel unter der Erde. Wer sich einmal kulinarisch in sie verliebt hat, sollte auch keine Schwierigkeiten mehr haben, sie von ihrer engen Verwandeten, der Pastinake, zu unterscheiden. Während Pastinaken eher gelblich-weiß, ziemlich dick und konisch wie ein Kreisel geformt sind, glänzen Petersilienwurzeln durch ihre weiße, fast elfenbeinfarbene Haut und sind schlank-länglich geformt. Besonders unverwechselbar macht sie ihr intensiver Geruch.
Dieses Jahr haben wir im Spätsommer Klee- und Grassamen als Untersaat in die Petersilienwurzeln gestreut (ebenso bei Möhren, Pastinaken, Mangold, Rote Bete). Im Schatten der großen Gemüsepflanzen entwickelte sich so langsam eine das Bodenleben stärkende und den Boden schützende Untersaat.
Dank des sehr feuchten Bodens konnten wir die Petersilienwurzeln diese Woche bei der Ernte ganz ohne Werkzeug aus der Erde ziehen, so dass die Untersaat fast gar nicht geschädigt wurde und nun den Winter über munter weiter wachsen kann.
Zur Aussaat der Wurzelpetersilie verwenden wir immer unsere Handsämaschine, die über besonders kleine Löcher für das feine Saatgut verfügt. In diesem Ackerwissen-Beitrag von 2021 könnt ihr euch ein Bild von dieser simplen, alten Maschine machen – und auch gleich einen Blick auf unser Lieblings-Wunderwerkzeug für den Wurzelanbau, die Radhacke, werfen.
Text: Wendelin Sandkühler
Fotos: Timo Knorr, Wendelin Sandkühler